Angemacht, Runtergeputzt, Ausgebeutet:
Reinigungskräfte in Hotels

Der „Fall Strauss Kahn“ ist diese Tage ja Topthema in allen Medien. Dabei fokussiert sich die Berichterstattung vor allem auf die spekulative Frage, ob er nun ein „Zimmermädchen“ vergewaltigt hat oder nicht, und welche Konsequenzen das für ihn (!) hat. Sowas nennt man wohl den „medialen Promi-Bonus“. Wie es der betroffenen Frau dabei geht, gibt halt nicht soviel her.

Leider geraten bei der aktuellen Diskussion die miserablen Umstände, unter denen Reinigungskräfte in Hotels oft arbeiten müssen, in den Hintergrund. Grund genug also für uns, im Folgenden die Arbeits-Realität dieser Berufsgruppe einmal genauer zu beleuchten.

Und da zeigt der „Fall Strauss Kahn“ zunächst: Es kann davon ausgegangen werden, daß sexuelle Übergriffe in dieser Branche keine Seltenheit sind und ein großer Teil der hier (meist weiblichen) Beschäftigten diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht hat.  Die  Privatheit/die Abgeschiedenheit des Hotelzimmers begünstigt den Täter. Sei es „nur“ die anzügliche Bemerkung zwischen Tür und Angel, oder tatsächlich eine sexuelle Nötigung/Vergewaltigung. Auch fällt in diesem Zusammenhang die verniedlichende Form der Berufsbezeichnung auf.  „Zimmermädchen“ ist noch immer die hier in Deutschland verbreitete Berufsbezeichnung, selbst in offiziellen Stellenausschreibungen. Da mutet der Begriff „Raumpflegerin“, oder das englische geschlechts- und wertneutrale „Housekeeping“ schon weitaus zeitgemäßer an.

Weiterer Punkt, der gern, insbesondere auch bei 5-Sterne Hotels, übersehen wird: Das Lohnniveau.

„Eines der vornehmsten Häuser der Kette ist das Dorint Sofitel am Alten Wall in Hamburg. Das Haus hat fünf Sterne, eine Präsidentensuite für 1275 Euro – und Zimmermädchen, die für netto 1,92 Euro pro Stunde die Zimmer putzen.“

So schrieb Der Spiegel 2007. Doch wie sieht es in der Branche heute aus? Die Löhne, die gezahlt werden, sind noch immer mit die niedrigsten überhaupt. 8 EUR/Std. sind da schon ein Spitzenwert, der aber selten erreicht wird. Bestimmungen zu tariflichen Mindestlöhnen gibt es zwar, aber diese laufen oft ins Leere, da sowohl Hotels wie Reinigungsservice-Firmen genug Tricks kennen, um diese Bestimmungen zu umgehen. Beispiele gefällig?

Variante 1: Viele Hotels betreiben „Outsourcing“. Meint: Die Raumpflegerinnen sind gar nicht direkt im Hotel angestellt. Die Reinigung der Zimmer übernimmt eine Fremdfirma. Der Fremdanbieter versichert zwar, Mindestlohn zu zahlen – Einfluss darauf hat das Hotel natürlich nicht. Was den Hotels nicht ungelegen kommt.

Variante 2: Der Fremdanbieter, der zu Dumpinglöhnen arbeiten lässt, ist gar nicht in Deutschland ansässig. Oder der Dienstleister beschäftigt Schein-Selbstständige, z.B. aus Osteuropa. So gab es 2008 in München eine Razzia in mehreren Luxushotels, darunter im Bayrischen Hof. Juristisch ist dem schwer beizukommen; dennoch gab es für einige Häuser Geldbußen.

Variante 3: Es wird zwar behauptet, Mindestlohn zu zahlen; dieser ist allerdings geknüpft an eine bestimmte Mindest-Anzahl von Zimmern, die pro Stunde zu reinigen sind. Was in der Realität fast nie zu schaffen ist.

Variante 4: Spitzfindig wird versucht, die Tätigkeit nicht als „Reinigung“ zu deklarieren, sondern als „Hotelspezifischer Service.“ Hintergrund: Eine Reinigungskraft unterliegt dem Branchen Mindestlohn für „Gebäudereiniger“. Eine Servicekraft dagegen ist nicht geregelt. Erst 2010 entschied das Münchner Sozialgericht, daß die Tätigkeit als Reinigungstätigkeit auch so zu entlohnen sei.

Nun sind diese Tricks schon seit langem bekannt. Doch erst jetzt scheinen Hotels langsam umzudenken und stellen selbst verstärkt Personal für die Reinigung der Hotelzimmer an. Ob nun aus humanitären Gründen, oder doch eher aus PR Gründen – das sei einmal dahingestellt. Freilich, lukrativ sind auch hier die Löhne nicht. „Niedriglohnsektor“ ist hierfür die bürokratische Umschreibung. Auf deutsch: Zuviel zum Sterben, zuwenig zum Leben. Und die Anzahl der Hotels, die Fremdfirmen bei der Zimmerreinigung beschäftigen, ist noch immer erschreckend groß. Wie groß, das zeigt eine Umfrage des Magazins „Hinz und Kunzt“. Demzufolge nutzte im vergangenen Jahr allein in Hamburg noch immer der überwiegende Teil von Hotels die zweifelhaften Dienste von Fremdanbietern, darunter bekannte Ketten wie Best Western, Holiday Inn oder Mercure.  Weiter erschreckend, daß der Report in der Branche teilweise Reallöhne von 600 – 800 EUR brutto vorfindet. Wohlgemerkt – für eine monatliche Vollzeitbeschäftigung. Das entspricht umgerechnet einem Stundenlohn von unter 4 EUR.

Fazit: Katastrophale Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne sind noch immer verbreitet in einer Branche, die sich selbst gern mit Attributen wie „Luxus“, „Wellness“ oder „Entspannung“ schmückt.

 

 

 

Unsere Umfrage: Mindestlohn – Ja oder Nein?

Als „Niedriglöhner“ gelten gemeinhin Beschäftigte, die trotz Vollzeittätigkeit weniger als 2 Drittel des allgemeinen Lohndurchschnitts am Monatsende real auf dem Konto haben. Als klassische Niedriglohn Branchen gelten das  Reinigungsgewerbe, oder das Frisörgewerbe. Branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne sind eine mögliche  Lösung, aber in der Diskussion umstritten. Gegner argumentieren, dies würde die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen ausbremsen. Befürworter sehen darin einen steigenden Wohlstand für bisher verarmte Schichten, der letztlich auch der Gesamtwirtschaft zugute kommt.

Stimmen Sie ab: Gesetzlicher branchenübergreifender Mindestlohn – Ja oder Nein?

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